Justiz und Rechtssprechung im zwölften und dreizehnten Jahrhundert

 

(Leseprobe)

 

 

In der Zeit vor dem zwölften Jahrhundert waren die sogenannten Rechtsbücher von besonderer Bedeutung. Dies waren keine amtlichen Gesetze, sondern ursprünglich Privatarbeiten, denen allerdings durch Gebrauch vor Gericht weitgehend gesetzmäßiges Ansehen und Beweiskraft beigemessen wurde. Demzufolge also war das Gesetz ursprünglich nicht durch diese Niederschriften rechtskräftig, sondern diese frühen Gesetzessammlungen stellten lediglich bereits bestehendes Recht dar. Dies bedeutet, daß sogenannte rechtsymbolische Handlungen nach wie vor auch ohne Niederschrift ihre Gültigkeit besaßen. [...]

 

Das soziale Leben der Menschen wurde stets im Rahmen der göttlichen Ordnung gesehen, weshalb eine weltliche Gesellschaft nicht in Betracht kommen konnte. Das Maß des Zusammenlebens war die Kirche. [...] Die häufig zu findenden Gerechtigkeitsbilder in den Gerichtsstuben mit ihrer Verbindung von weltlichem Richter und Christus als Weltenrichter am Jüngsten Tag machen diese Verbindung des Rechts mit Gottes Ordnung deutlich. Sie machen deutlich, daß die Menschen des Mittelalters Gott selbst vorwiegend verrechtlicht dachten, ihn sich als gerechten und strafenden, auch über Missetaten zürnenden und diese rächenden Gott vorstellten.

 

 

1.    Auszug aus dem Sachsenspiegel

 

Um sich einen Überblick über den Inhalt des Sachenspiegels verschaffen zu können, wird im folgenden ein kleiner Auszug wiedergegeben.

 

[...]

 

Leibeigenschaft:

Hat sich ein Leibeigener von seinem Herrn losgesagt und einem anderen für zugehörig erklärt, so kann sein erster Herr ihn vor Gericht zurückfordern. Wird der Leibeigene dabei nicht von seinem neuen Herrn vertreten, so kann der erste Herr ihn durch Ergreifen des Rockzipfels und des Zeugnisses zweier von Geburt an ihm leibeigenen Leuten zurückgewinnen.

 

[...]

 

Kauf:

Der Kauf eines Pferdes erfolgt gegen Barzahlung und in Anwesenheit zweier Zeugen.

 

[...]

 

 

Die im folgenden exemplarisch aufgeführten Straftaten sollen zeigen, welche Kriterien zur Verurteilung eines Verbrechers führten:

 

 

2.      Auszug aus dem Katalog der Straftaten

 

[...]

 

Kindesmord:

Die Tötung eines Wehrlosen galt im Mittelalter als Mord und auch in germanischer Zeit wurde die Tötung eines neugeborenen Kindes als Mord bezeichnet. Einige Gesetzte begnügten sich bei diesen Delikten mit geringen Strafen, andere wieder bedrohten es mit der Todesstrafe.

 

[...]

 

Brandstiftung:

Man unterschied zwischen absichtlicher und unabsichtlicher Brandstiftung. Als erschwerter Fall wurde die heimliche, insbesondere die nächtliche Brandstiftung angesehen und als „Mordbrand“ bezeichnet. Nach dem Sachsenspiegel wurde die einfache Brandstiftung mit Enthauptung; der Mordbrand aber mit dem Rad bestraft.

 

Diebstahl:

Je nach Wert des gestohlenen Gutes unterschied man zwischen kleinem und großem Diebstahl. Eine einheitliche Wertgrenze gab es jedoch nicht. Als großer Diebstahl galt unter anderem Vieh- und Getreidediebstahl sowie Diebstahl bei Nacht und aus Kirchen, Schmieden und Mühlen. Diese besonderen Arten waren todeswürdig, wie eigentlich alle Diebstähle. Entgegen den heutigen Wertmaßstäben galt Diebstahl schimpflicher als Raub, weil er heimlich und vom bestohlenen meist unbemerkt geschah, während beim Raub der Beraubte zumindest die Chance hatte, sich zu wehren.

 

[...]

 

 

Da viele Verbrechen mit der Todesstrafe gesühnt wurden, soll die folgende Aufstellung exemplarisch zeigen, welche verschiedenen Methoden der Hinrichtung eines Delinquenten es gab.

 

 

3.      Auszug aus dem Katalog der Todesstrafen

 

Enthauptung:

Die Unterscheidung der Enthauptung von Hängen, Verbrennen, Ertränken und Lebendigbegraben bestand darin, daß nicht den Naturkräften die Tötung des Verbrechers überlassen wurde, sondern von menschlicher Hand gefertigten und geführten Instrumenten. Die alten Todesurteile verlangten bei Enthauptung ausdrücklich, daß aus dem Verurteilten zwei Stücke zu machen seien und beide Teile so voneinander getrennt werden sollten, daß ein Zwischenraum entstand

[...]

 

Ertränken:

Hauptsächlich wurde die Strafe des Ertränkens an Frauen vollzogen. Gewöhnlich band man der Verurteilten Hände und Füße zusammen und warf sie in einen Fluß oder Weiher. War die Wassertiefe nicht ausreichend, wurde die Delinquentin mit Stangen oder Gabeln so lange unter Wasser gedrückt, bis der Tod eintrat.

Das Ertränken wurde auch in großen hölzernen Zubern vollzogen. Der Scharfrichter drückte die in einem Sack steckende Verbrecherin über den Rand des Zubers mit dem Oberkörper so lange unter Wasser, bis der Tod eingetreten war.

 

Verbrennen:

Grundgedanke dieser Strafe war es, den Verbrecher, dessen Tat als besonders abscheulich erschien, völlig vom Erdboden zu vertilgen.

Feuer hatte reinigende Kraft und vernichtete alles Böse. Der dabei entstehende Rauch und mit ihm die Bosheit des Täters wurde vom Wind fortgetragen. Auch die Asche des Verbrannten galt noch als gefährlich und man übergab sie deshalb dem fließenden Wasser eines Flusses, der sie fortspülte. So waren an der Vertilgung des Bösewichtes die drei Naturelemente Feuer, Luft und Wasser beteiligt.

 

[...]

  

Neben den Verstümmelungsstrafen gab es noch die sogenannten Ehrenstrafen. Darunter fiel der öffentliche Verweis, der bei geringfügigen Vergehen ausgesprochen wurde. Ehrenstrafen waren die am meisten angewendeten Strafen überhaupt und verfehlten ihre Wirkung nicht.

 

[...]

 

Im 12. und 13. Jahrhundert gewann auch der Pranger allmählich an Bedeutung. Er wurde als Strafe hauptsächlich bei erstmaligem, geringem Diebstahl, Übertretung moralischer Vorschriften, Kuppelei, Beleidigungsdelikten und bei einfacher, nicht bösartiger Gotteslästerung angewendet.

 

 

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